Hat die Dringlichkeit der digitalen Transformation mit der COVID-19-Krise zugenommen? Die klare Antwort lautet ja, denn die gegenwärtige Situation bewirkt eine echte digitale Beschleunigung, die wir in dieser Form noch nie erlebt haben. In der letzten Ausgabe haben wir fünf Thesen zur Fabrik der Zukunft vorgestellt. Flexibilität und Effizienz in der Fläche und in den Prozessen haben oberste Priorität für Unternehmen – so das klare Fazit. Wie geht es weiter? Heute fassen wir nach und sprechen mit Stefan Flicke über die weitere Entwicklung und den Stand der Dinge.
Flicke: Aus meiner Sicht nein. Wir sehen gerade, dass die Krise als Katalysator wirkt und somit bestimmte Themen beschleunigt, so auch das Thema Digitalisierung. Der Faktor Flexibilität wird auch weiterhin die höchste Maxime bleiben, nach der Fabrik- und Produktionsstrukturen sowie Wertschöpfungsprozesse ausgelegt werden. Die Frage ist vielmehr, wie wir Produktion zukünftig ausrichten möchten und wie schnell diese umgerüstet werden kann. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, wie die Arbeit remote unterstützt werden kann. Bei einigen unserer Kunden werden bereits für den „Factory Acceptance Test“ Augmented-Reality-Lösungen eingesetzt, die eine virtuelle Durchführung einer Anlageninbetrieb- und -abnahme erlauben. Auch der Bereich Service kann remote gesteuert werden, was wiederum eine verringerte Vor-Ort-Präsenz erforderlich macht.
Flicke: Die Unternehmen müssen einen langen Atem haben. Das ist nicht von heute auf morgen umzusetzen – das ist ganz klar. Wir beobachten, dass vor allem der Mittelstand eine enorme Anfangsinvestitions-Bugwelle vor sich herschiebt, die mit jedem Tag weiter zunimmt. Und das ist fatal, denn die grundlegenden Voraussetzungen für konkrete Anwendungen von sich rechnenden Digitalisierungs-Use- Cases müssen erstmal geschaffen werden. Hierbei ist insbesondere, wie auch in den eingangs genannten Thesen erwähnt, eine durchgängige Verfügbarkeit von Daten über alle Schritte der Wertschöpfung wichtig. Neben einer besseren Steuerung der Supply Chain durch Monitoring-Systeme können auch wiederkehrende Muster in den Qualitätsdefiziten erkannt und nachhaltig beseitigt werden.
Flicke: Die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielt eine ganz zentrale Rolle. Denn nur wer sich fachlich und persönlich auf diese Veränderungen einlässt und wer Mut für Veränderung und Neugier mitbringt, wird sich aktiv in diesen Prozess einbringen können. Die Arbeit der Zukunft wird sich grundlegend verändern, wie auch mein Kollege Sieghard Schmetzer in den Thesen zu den Arbeitswelten der Zukunft ausführt.
Flicke: Der Mittelstand muss an den Grundlagen arbeiten. Das bedeutet konkret: Investition in die Qualifikation der Mitarbeitenden, Investition in die Schnittstellentechnik und insbesondere in die Stammdatenverfügbarkeit. Denn nur so kann das Potenzial durchgängig verfügbarer Daten gehoben werden. Eins muss jedoch klar sein: Es braucht eine starke Organisation, progressive Vordenker und mutige Charaktere, die diesen Wandel gemeinsam möglich machen.
Flicke: Als ersten Schritt empfehle ich ganz klar die Entwicklung einer Digitalisierungs-Roadmap inklusive einer Definition der IT-(System-) Architektur. Das ist aus meiner Erfahrung heraus der zentraler Enabler und Anforderungstreiber für die Umsetzung der weiteren Themen. Erst dann folgt eine integrierte Betrachtung der Fabrik- und Produktionsplanung. Dies gelingt durch die Definition von entsprechenden Use Cases zum Beispiel aus den Bereichen Digitalisierung und Automatisierung, deren Evaluation auf dem Know-how der klassischen Prozessplanung basiert und immer spezifisch auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet ist. Ziel muss sein, die Anforderungen der verschiedenen Disziplinen für die maximale Zukunftsfähigkeit zu koordinieren.
Smart Factory – Planung einer zukunftsfähigen Fabrik
Welche Herausforderungen und Stolpersteine haben die Kunden heute bei der Planung einer zukunftsfähigen Fabrik? Was sind die Voraussetzungen, um mit dem Thema „Smart Factory“ zu starten?