Cost Engineering setzt im Rahmen der Produktentstehung auf eine ganzheitliche Kostenbetrachtung. Warum ist dieser Ansatz wichtig?
Mayringer: Für ganzheitliche Produktprofitabilität sind in nächster Zeit drei Dimensionen entscheidend. Unternehmen müssen ihr Produkt technisch verstehen, zum Beispiel die Technologien, Materialien und Funktionen. Außerdem müssen sie die Kosten für die Herstellung, aber auch der gesamten Wertschöpfungsarchitektur bewerten. Hier sind beispielsweise die Produktionsstrategie und -prozesse sowie die Werks- und Anlagenplanung relevant. Die dritte Dimension betrifft alles, was mit Emissionen und dem Carbon Footprint zusammenhängt. Gerade hier ergeben sich hochkomplexe Zusammenhänge, die eine ausführliche, ganzheitliche Perspektive erfordern
Grundnig: Bei der Bewertung der Produktkosten geht es einerseits um Fragen rund um die Produktgestaltung, zum Beispiel, wie intelligent die Funktionen abgebildet werden und wie das Design dies unterstützt. Andererseits gilt es, die Produzierbarkeit zu bewerten, etwa die Produktionsstrategie und die operative Umsetzung der Konzepte am Shopfloor. Unternehmen, die den gesamten Lifecycle von Produkten aus Kosten- und CO₂-Sicht optimieren wollen, müssen diese beiden Welten zusammenbringen. Dass ein Produkt gut produzierbar sein wird, könnenHersteller durch Cost Engineering in den frühen Phasen der Entwicklung sicherstellen.
Welchen Einfluss haben in diesem Kontext CO₂-Emissionen?
Mayringer: Die CO₂-Emissionen sind aufgrund neuer Regulierungen wie dem CBAM der EUzum Kostenfaktor geworden, die Unternehmen zwingend berücksichtigen müssen. Der Einfluss betrifft den gesamten Lebenszyklus des Produktes, von der Herstellung über Logistik und Transport bis hin zum Recycling. Diese Dimension wird bei der Bewertung von Maßnahmen in der Produktentwicklung noch zu häufig vernachlässigt, auch, weil keine Transparenz da ist. Analysen und Simulationen, die Erkenntnisse für das Validieren von Ideen liefern, sind dadurch gar nicht erst möglich.
Welche Rolle spielt Software bei der Kostenanalyse?
Mayringer: Gutes Cost Engineering ist schon bei durchschnittlich komplexen technischen Produkten nicht mehr ohne Software machbar. Da kommen Datenmengen ins Spiel, die Tools wie Excel nicht stemmen können, gerade wenn es darum geht, Optionen durch Simulationen zu vergleichen und möglichst schnell die beste Lösung zu finden. Wir sprechen hier von kompletten Stücklisten eines Produkts, allen technischen Lösungen der Einzelteile, der gesamten Architektur der Wertschöpfung. Dazu werden Produkte mit ihren vielen Funktionen immer komplexer, während ihre Lebenszeit aufgrund der raschen Technologiesprünge sinkt. Dadurch erhöht sich der Druck auf das Cost Engineering.
Grundnig: Entscheidend ist die Transparenz, die eine solche Software erzeugt. Tools wie Excel können lediglich Teilaspekte darstellen, keine Zusammenhänge. Die Daten liefern keine Antworten auf komplexe Fragen und sind keine Hilfe bei der crossfunktionalen Steuerung der
Produktentstehung. Softwarelösungen wie TSET machen hingegen Kostenpotenziale transparent und ermöglichen es, Ideen über Benchmarks und Simulationen zu überprüfen.
Mayringer: Ein weiterer Faktor ist Zeitersparnis. Die Plattform von TSET kann Fertigungstechnologien automatisiert kalkulieren. Weil wir komplexe Aufgaben durch die effizientere Kalkulation schneller lösen, können sich Cost-Ingenieure auf Lösungen und deren Implementierungkonzentrieren. Sie haben beispielsweise mehr Zeit, Optionen zur CO₂-Reduzierung zu validieren und Ideen über Simulationen zu testen. Das beginnt früh in der Produktentstehung, mit den ersten Konzeptstücklisten. Die Software begleitet die gesamte Produktentstehung und kann die Kostenund CO₂-Struktur über den Lifecycle bis in die Produktion abbilden.
Grundnig: Dahinter steht auch das Thema Organisationsentwicklung. Das Tool erspart dem Cost Engineering nicht nur mühsame Kalkulationsarbeit. Es ermöglicht den Mitarbeitenden,sich weiterzuentwickeln und Ideen auszuprobieren.
Wie hängt Cost Engineering mit den Prozessstrukturen der Organisation zusammen?
Mayringer: Cost Engineering erfüllt in Industrieunternehmen eine crossfunktionale Expertenfunktion, die in vielen Organisationen unbesetzt ist. Das Problem ist, dass Entwicklung, Produktion und Einkauf mangels Know-how oft Verständnis füreinander fehlt. Daher reicht es nicht, eine Software zu kaufen. Die Fachabteilungen müssen erst zu einer proaktiven Kostenarbeit vereint werden. Die Expertinnen und Experten müssen organisatorisch befähigt werden, gemeinsam am Produktkonzept zu arbeiten. Nur dann können sie sich über Kalkulationen und Simulationen austauschen und Entscheidungen zusammen vorbereiten. Mit unserem organisatorischen, prozessualen Ansatz können wir Cost Engineering über Abteilungsgrenzen hinweg organisieren. So helfen wir Kunden, günstige, CO₂-reduzierte, technisch sinnvolle Produktkonzepte mit idealen Anlagen- und Werkzeugkonzepten zu erstellen.
Grundnig: Die Daten und Erkenntnisse aus dem Tool sind die Basis, um Fragen, die wir in der Beratung klären, beantworten zu können. Im Produktentstehungsprozess müssen Konzepte immer auch aus Kostensicht bewertet werden. Idealerweise erhält der Einkauf schon im Sourcing-Prozess Unterstützung durch das Cost Engineering. Zum Beispiel beim Validieren der Lieferanten oder der Vorbereitung und Durchführung von Kostenstrukturverhandlungen. Dieser Ansatz muss zunächst in die Prozesse im Einkauf, in der Konstruktion und ggf. im Vertrieb integriert werden, um das maximale Potenzial der durch die Anwendung der Software ermittelten Lösungen auch zu realisieren.
Haben wir Ihre Neugier geweckt?
Die vollständigen Artikel mit unseren Experten finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Ingenics Magazines: