Digitaler Wandel in der Fabrikgestaltung: Das Potenzial des Industrial Metaverse
Panta Rhei – alles fließt. Dieses altgriechische Prinzip gilt auch in der Fabrikplanung. Angesichts des Wandels von einer berechenbaren, wenn auch volatilen, hin zu einer fragilen und unvorhersehbaren Welt müssen Produktionssysteme neu gedacht werden. Transparente und anpassungsfähige Strukturen sind entscheidend, um in diesem Umfeld zu bestehen. Dazu braucht es eine umfassende digitale Transformation – weg von starren, monolithischen Strukturen hin zu flexiblen und modularen Ansätzen wie dem Industrial Metaverse.
Die wachsende Komplexität der Fabrikgestaltung
Die Anforderungen an die Fabrikplanung nehmen stetig zu. Das ist vor allem der steigenden Anzahl von Abhängigkeiten und Stakeholdern geschuldet. Die Fabrik der Zukunft muss mehr leisten als je zuvor: Sie soll transparent und skalierbar sein, agile Prozesse und Automatisierung ermöglichen und gleichzeitig resilient bleiben. Auch Nachhaltigkeit spielt eine zentrale Rolle, genauso wie die Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Diese vielfältigen Anforderungen verlangen nach einer übergreifenden, multidimensionalen Strategie.
Eine isolierte Betrachtung von Handlungsfeldern wie Digitalisierung, Produktionseffizienz oder Gebäudetechnik reicht hingegen nicht mehr. Die Konvergenz der verschiedenen Anforderungsbereiche ist unvermeidlich und verlangt nach einem ganzheitlichen Ansatz.
Technische Grundlagen für die Fabrik der Zukunft
Moderne Fabrikgestaltung erfordert nicht nur strategische Weitsicht, sondern auch eine technische Infrastruktur, die alle relevanten Bereiche integriert. Viele Handlungsfelder erfordern spezialisierte Software und Hardware sowie Expertenwissen. Ohne eine einheitliche, technische Basis entstehen jedoch abgeschottete Wissensinseln, die zu widersprüchlichen Lösungsansätzen führen können. Da die Komplexität weiter zunimmt, wird es immer schwieriger, solche isolierten Strukturen zu identifizieren und aufzulösen.
Es gibt bereits etablierte Methoden, um die Zusammenarbeit in der Fabrikplanung zu verbessern, wie etwa das Building Information Modeling (BIM). Diese konzentrieren sich jedoch meist auf statische Eigenschaften der Fabrik und berücksichtigen keine dynamischen Wechselwirkungen im Produktionssystem. Für die ganzheitliche Fabrikgestaltung reichen diese Ansätze nicht mehr aus. Hier setzt das Industrial Metaverse an.
Ein neuer Ansatz für die Fabrikplanung
Das Industrial Metaverse eröffnet neue Möglichkeiten, um die Herausforderungen der modernen Fabrikplanung zu meistern. Es handelt sich dabei um eine vernetzte, virtuelle Umgebung, die industrielle Prozesse, Maschinen und Anlagen digital abbildet. Das Industrial Metaverse ermöglicht eine nahtlose Integration von Daten und Koordinationsmodellen, was die Zusammenarbeit in Planungsteams erheblich verbessert. Cloudbasierte Datensilos werden vernetzt und unterschiedliche IT-Systeme, auf die verschiedene Expertentools zugreifen, integriert. Dies führt zu einer deutlichen Steigerung der Effizienz und Genauigkeit in der Fabrikgestaltung.
Bei der Fabrikgestaltung mit dem Industrial Metaverse werden Daten zentral zusammengeführt. Dies umfasst unter anderem: Gebäude, Maschinen, Medienanschlüsse und Modulstandards. Diese Daten sind während des gesamten Lebenszyklus der Fabrik für alle Beteiligten zugänglich. Bei der Platzierung von Maschinen können beispielsweise herstellerspezifische Daten direkt aus dem Industrial Metaverse importiert werden.
Echtzeit-Daten und die Optimierung der Fabrikprozesse
Eine Anbindung an größere Datenräume wie Gaia-X oder Catena-X könnte den Datenaustausch in Echtzeit erlauben und so den gesamten Planungs- und Optimierungsprozess noch effektiver gestalten. Abstimmungen in der gesamten Lieferkette werden optimiert und der Betriebspunkt der Fabrik kann an aktuelle Entwicklungen dynamisch angepasst werden. Weiterhin könnte beispielsweise das Industrial Metaverse es erleichtern, Verbrauchswerte und Emissionen in Echtzeit zu erfassen und etwa den CO2-Fußabdruck der Produktion sofort zu berechnen. Die Vernetzung zwischen Lieferanten und Herstellern vereinfacht diesen Prozess, was die Effizienz der Fabrikplanung weiter steigert. Ein weiterer Vorteil des Industrial Metaverse liegt in der Integration erneuerbarer Energien. Um die Produktionsprozesse mit der Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien zu synchronisieren, werden Speichertechnologien intelligent angesteuert. Diese Informationen werden in das Industrial Metaverse eingespeist und erlauben es, den Energieverbrauch für jedes einzelne Produkt nachzuvollziehen.
Effizienzsteigerung in Fabrikplanung und -betrieb durch das Industrial Metaverse
Die folgende Grafik zeigt, wie das Industrial Metaverse sowohl Fabrikplanung als auch Fabrikbetrieb effizienter gestalten kann. Die linke Seite bildet den planerischen und gestalterischen Teil der Fabrikplanung ab, die rechte Seite den betreibenden und optimierenden.
Digitale Fabrikplanung im Industrial Metaverse
1. Factory Design
Die Gestaltung der Fabrik in Struktur und Dimensionierung wird intuitiver und transparenter als je zuvor. Dank hochrealistischer Visualisierungen von Gebäuden und Produktionsanlagen wird das Industrial Metaverse zu einer Plattform, die Stakeholdern einen realistischen Eindruck der geplanten Fabrik vermittelt. Technologien wie Echtzeit-Raytracing und Path Tracing machen Planungen greifbar und fördern die Beteiligung aller Interessensgruppen.
2. Factory Modeling & Simulation
Die Integration verschiedener Planungsdisziplinen und Expertentools im Industrial Metaverse verbessert die Zusammenarbeit erheblich. Die höhere Transparenz sorgt für ein besseres Verständnis der Prozesse und Anforderungen. Durch Simulationen kann bereits während der Planung die Produktion optimiert und abgesichert werden.
3. Factory Operation
Die Verknüpfung von Maschinen- und Gerätedaten schafft eine direkte Verbindung zwischen der physischen und der virtuellen Welt. Diese bi-direktionale Verbindung zwischen der virtuellen und physischen Fabrik ermöglichen eine effizientere Betriebsführung.
4. Factory Optimization
Anpassungen im Produktionsprozess - sei es durch Änderungen im Produktportfolio oder bei Fertigungsschritten - lassen sich im Industrial Metaverse simulieren und optimieren, bevor sie in die physische Fertigung überführt werden. Dies reduziert Ausfallzeiten und optimiert etwa die Routenplanung fahrerloser Transportsysteme (FTS).
Fazit: Chancen und Grenzen des Industrial Metaverse
Das Industrial Metaverse hebt die Fabrikplanung auf ein neues Niveau, indem es die Transparenz erhöht und die Zusammenarbeit signifikant verbessert. Das Industrial Metaverse stellt damit die nächste Evolutionsstufe der Fabrikgestaltung dar. Es ermöglicht erstmals die ganzheitliche Darstellung aller Teilmodelle, die in den unterschiedlichen Expertenapplikationen genutzt werden. Diese Gesamtsicht führt zu einem tieferen, gegenseitigen Verständnis der verschiedenen Planungsdisziplinen und eröffnet neue Möglichkeiten für Simulationen, Prozessoptimierungen und die Überwachung von Maschinen und Ressourcen.
Trotz seiner Potenziale darf das Industrial Metaverse nicht als Allheilmittel betrachtet werden. Es ist ein Werkzeug, das strategisch und gezielt eingesetzt werden muss, um wirklich nachhaltige und flexible Produktionsweisen zu fördern. Die Entwicklung solcher Strategien erfordert Zeit und Ressourcen, weshalb es entscheidend ist, frühzeitig mit der Implementierung zu beginnen. Wer das Potenzial des Industrial Metaverse ignoriert, könnte sich in einer „Do-or-Die“-Situation wiederfinden und langfristig Wettbewerbsnachteile erleiden.
Unser Team unterstützt Sie gerne bei der Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen rund um das Thema Industrial Metaverse in allen Aspekten der Fabrik: Gestaltung, Planung und Betrieb.