Die Wirtschaft wird sich stabilisieren

Statement von Prof. Oliver Herkommer, CEO Ingenics AG

„Wirtschaft wird sich stabilisieren“

Sich nicht aus dem Takt bringen lassen und positiv optimistisch in die Zukunft schauen, anstatt den Weltuntergang heraufzubeschwören, das ist die pragmatische Haltung von Oliver Herkommer, CEO der Ingenics AG, in der Corona-Krise. Unternehmen müssen einen Plan haben, wie sie mit der Situation umgehen, so sein klares Credo.

 

„Die Corona-Pandemie hat die Welt seit Beginn des Jahres fest in Griff. Vieles hat sich in den letzten Wochen verändert, so auch die Form der Zusammenarbeit. Die Arbeitsleistung hat sich mehr und mehr verdichtet. Nach den Erfahrungen der letzten Wochen werden wir die Arbeit zukünftig digitaler ausrichten. Das persönliche Gespräch halte ich nach wie vor für unverzichtbar, aber eine persönliche Anwesenheit wird nicht mehr das Hauptkriterium sein. Die Produktivität der sogenannten Wissensarbeit wird deutlich steigen, wenn wir die moderne, digitale Kommunikation nutzen. Mit Digitalisierung meinen wir in der Regel Telefon- oder Videokonferenzen. Aber es gilt, den nächsten Schritt zu denken und verteilte Prozesse in einem Unternehmen zu digitalisieren und konsequent zu automatisieren. Denn je digitaler eine Volkswirtschaft aufgestellt ist, desto höher wird der Produktivitätsvorsprung sein. Und da haben wir in Deutschland im Vergleich zu Estland oder anderen baltischen Staaten noch erheblichen Nachholbedarf.

Die Digitalisierung bietet unglaublich viele Möglichkeiten. Und das wiederum bringt eine völlig neue Offenheit, auch komplexere Themen, wie neue Prozesse oder Organisationsformen, digital aufzustellen. Wir beobachten bereits jetzt, dass die Digitalisierung der Produktion und die Umsetzung von Effizienzprogrammen die aktuellen Top-Themen sind, die Unternehmen antreiben, nicht zuletzt, um die Einbußen der Corona-Krise in den nächsten Monaten kompensieren zu können.

Je besser ein Land die Krise managt, desto geringer wird der wirtschaftliche Schaden sein. Wenn wir uns China, USA und Europa anschauen, dann sieht man deutliche Unterschiede im Umgang mit der Krise und auch deutliche Unterschiede, was den wirtschaftlichen Einfluss angeht. In China hat sich die Wirtschaft wieder relativ schnell normalisiert, das Leben ist dort fast wieder normal. Und in Europa werden wir in den nächsten sechs Monaten ähnliches erleben. Natürlich war der Lockdown in China noch konsequenter als hier in Deutschland, aber die Infektionszahlen machen Mut, dass das Thema beherrschbar ist. Das allerdings setzt Disziplin und entsprechende Maßnahmen voraus – keine Frage.

Es wird allerdings strategische Felder geben, wie beispielsweise die medizinische Versorgung, wo sich der Staat die Versorgung sicherstellen sollte. Aber die weltweit verkettete Produktion wird ähnlich weiterlaufen wie bisher, da die Weltwirtschaft ganz klar von dieser Arbeitsteilung profitiert. Und aktuell stellen wir fest, dass durch die Lieferunsicherheit bei den europäischen Automobilzulieferern eine Verlagerung von Europa nach China angestrebt wird. Dies ist insofern kritisch zu bewerten, da wir in Europa und in Deutschland immer noch 30 Prozent der Wertschöpfung von einem „deutschen“ Auto in China generieren. Die Lokalisierung wird also in alle Richtungen diskutiert, leider auch zu Lasten von Deutschland.

Der Weg durch die Krise verläuft in vier Phasen. Nach dem Lockdown befinden wir uns noch in der ersten Phase, wo derzeit eine stufenweise Wiederaufnahme des operativen Geschäfts erfolgt. In der zweiten Phase gilt es, Ressourcen gezielt und kostenbewusst einzusetzen. Greifen die gesundheitlichen Präventionsmaßnahmen, sehen wir in der dritten Phase eine Beruhigung der Märkte und eine Stabilisierung der Supply Chains – das könnte voraussichtlich im September eintreten. Es werden weiterhin nur die notwendigsten Investitionen getätigt und Kostenreduzierungen weiterverfolgt. Erst ab Januar 2021, also in der vierten Phase, gehen wir von einem moderaten Wachstum der Wirtschaft aus, wenn wieder neue Investitionen getätigt werden.“

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