Erik Wessels: Wir bieten Unternehmen eine Erstberatung rund um das Thema menschenrechtliche Sorgfalt. Die Beratungen sind kostenfrei, vertraulich und natürlich individuell. Unser Angebot wird durch Workshops bei Verbänden und maßgeschneiderte Schulungsmodule ergänzt, die auch unternehmensintern stattfinden können. Seit der Helpdesk im Oktober 2017 die Arbeit aufgenommen hat, ist die Nachfrage stetig gestiegen. Unser Wissen aus über 1.200 Einzelberatungen haben wir über die Jahre hinweg skaliert und in die beiden Online-Tools „CSR Risiko-Check“ und „KMU Kompass“ einfließen lassen. Das ist zwar arbeitsintensiv, aber absolut lohnenswert, um unser Know-how interessierten Unternehmen zugänglich zu machen.
Wessels: Ob kleines Unternehmen, Mittelstand oder DAX-Unternehmen: Die Anfragen, die uns telefonisch oder per E-Mail erreichen, variieren sehr stark. Die Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hat die Aufmerksamkeit für die Thematik menschenrechtlicher Sorgfaltsprozesse in Unternehmen erhöht. Dass Unternehmen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen, wird nicht nur vom Gesetzgeber vorangetrieben, sondern beruht zunehmend auch auf der Erkenntnis, dass nachhaltiges Wirtschaften viele Vorteile mit sich bringt. Wir haben daher in den vergangenen zwei Jahren auch vermehrt Anfragen von kleinen und mittleren Unternehmen erhalten, die sich um eine systematische Umsetzung von menschenrechtlichen Sorgfaltsprozessen bemühen. Und uns kontaktieren auch zunehmend Unternehmen, die bereits Nachhaltigkeitszertifizierungen wie SA8000 haben und die sich nun die Frage stellen, welche Prozesse sie darüber hinaus noch etablieren sollten.
Wessels: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll Unternehmen dazu bewegen, Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette zu achten. Erstmals wird verbindlich geregelt, welche Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette eingehalten werden müssen, um faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen zu schaffen. Von betroffenen Unternehmen wird konkret erwartet, dass sie ein Risikomanagementsystem im Unternehmen verankern. Dazu gehört, dass sie interne Ver- antwortlichkeiten definieren, ein systematisches Risikoanalyseverfahren etablieren, Präventions- und ggf. Abhilfemaßnahmen ergreifen, Beschwerdeverfahren für potenziell Betroffene einrichten oder sich an geeigneten externen Verfahren beteiligen und eine jährliche Berichterstattung im Hinblick auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten leisten. Diese Regeln gelten ab 2023 für Großunternehmen und ab 2024 für Unternehmen mit 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welche durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle kontrolliert werden.
Wessels: Im ersten Schritt kann ich nur dringend empfehlen, eine Bestandsanalyse durchzuführen und sich zu fragen: Wo stehe ich mit meinem Unternehmen überhaupt? Es ist wichtig, den individuellen Status quo des Unternehmens zu analysieren und zu schauen, welche Prozesse bereits umgesetzt werden. Mögliche Lücken gilt es dann systematisch anzugehen. Allerdings muss man realistisch bleiben: Oft ist eine Umsetzung von Standards, wie wir sie in Deutschland gewohnt sind, nicht in der ganzen Lieferkette von heute auf morgen möglich. Das ist auch nicht gefordert, denn grundsätzlich gilt das Prinzip der Angemessenheit. Von Unternehmen wird nur verlangt, was ihnen angesichts ihres individuellen Kontexts, wie etwa ihrer Größe, Art der Geschäftstätigkeit und ihrer Nähe zum Zulieferer, möglich ist. Unter Umständen kann sich ein Unternehmen im Zusammenschluss mit anderen Akteuren, wie beispielsweise über Brancheninitiativen, für eine Verbesserung der lokalen Bedingungen einsetzen. Wir können nur gemeinsam etwas verändern und hierfür ist es notwendig, dass immer mehr Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nachkommen.