Klimaneutrale Fabriken lassen sich am einfachsten mit Neubauvorhaben und der aktuellsten Technik in Bezug auf ressourcenschonende Architektur und energieeffiziente Gebäudeausrüstung realisieren. Dies ist allerdings nicht immer die beste Entscheidung. Zum einen entstehen beim Bau Emissionen, die sich negativ auf die Klimabilanz auswirken. Zum anderen ist es aufgrund der notwendigen Investitionen und der langen Nutzungsdauer von Gebäuden selten sinnvoll, den Bestand vollständig durch Neubauten zu ersetzen. Zumal gesetzliche Terminvorgaben hinsichtlich Klimaneutralität auf diese Weise kaum realisierbar sind.
Um die im „Klimaschutzplan 2050“ der deutschen Bundesregierung formulierten Ziele zu erreichen, müssen Unternehmen stattdessen auch bestehende Fabriken anpassen. Green-Brownfield-Projekte haben aufgrund der vorhandenen industriellen Infrastruktur einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die Reduzierung von Emissionen und bieten einen wirksameren Hebel für die Umsetzung gesetzlicher Zielvorgaben. Daher kann die Klimawende im Industriesektor nur über die konsequente Integration von Nachhaltigkeitsthemen in Brownfield-Projekten gelingen.
Worauf kommt es im Green Brownfield an?
Bei der Aufrüstung bestehender Fabriken müssen Unternehmen neu denken. Klassische Prämissen der Fabrikplanung gehören dabei ebenso auf den Prüfstein wie bewährte Effizienzsteigerungsmaßnahmen. Während diese in früheren Zeiten rein monetär bewertet wurden, kommen heute Aspekte wie eingesparte Logistikaufwände und kürzere Durchlaufzeiten hinzu. Auch sie leisten ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit. Green-Brownfield- Projekte gehen in vielerlei Hinsicht über klassische Fabrikplanung hinaus. Es handelt sich um einen stetigen Prozess, der kontinuierlich verbessert wird. Unternehmen müssen einen Paradigmenwechsel einleiten. Hierbei gilt es, zunächst den Green-Gedanken im Bewusstsein der Mitarbeitenden zu verankern und Geschäftsprozesse zu integrieren. Anschließend folgt die wichtigste und langwierigste Aufgabe: Nur wenn Unternehmen die angestoßenen Verbesserungen in Standards überführen, kann die Transformation einer Brown zur Green Factory gelingen.
Wesentlich ist bei der Umsetzung des Green Brownfield Wandlungsfähigkeit. Klar im Vorteil sind Unternehmen, die den Aufbau ihrer Fabriken ausgehend von internen oder externen Auslösern auf allen Ebenen mit geringem Aufwand verändern können. Dies ermöglicht auch jenseits vordefinierter Handlungsspielräume schnelle Anpassungen in Bezug auf Organisation und Technik bei geringem Investitionsaufwand.
Welche Maßnahmen sind typisch?
Wandlungsfähigkeit ist für die Umsetzung zukünftiger Anforderungen grüner Technologie im Bestand unabdingbar. Beispielsweise sollte bereits bei der Planung eine geeignete Dachlast für Photovoltaik-Anlagen in die Überlegungen einbezogen werden. Das Gleiche gilt für die Anbindung an ein Nahwärmenetz oder die Errichtung von betriebseigenen Windrädern. Darüber hinaus erhöht eine wandlungsfähige Restrukturierung den Nutzungszyklus von Gebäuden und Technologien. Dies wirkt sich positiv auf langfristige Investitionen aus und führt zu einem nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen. Die besten Ergebnisse erzielen Unternehmen, indem sie Produktions- und Energieflexibilität kombinieren. Produktionsflexibilität ermöglicht es, energieintensive, nicht kontinuierliche Prozesse flexibel in den Schichtplan einzusteuern. Im Zusammenspiel mit Energieflexibilität können Unternehmen diese Prozesse je nach Rahmenbedingungen und Wetterlage auf Zeiten verlegen, in denen ein Überangebot an regenerativen Energien besteht. Enabler, die eine grüne Restrukturierung ermöglichen, sind in diesem Fall die Bereiche Lean und Digital. Die Steuerbarkeit des Produktionsprozesses erreichen Unternehmen durch die konsequente Umsetzung der Lean Methoden. Transparenz wiederum entsteht im Zuge der Digitalisierung via Datenerfassung und -auswertung.
Etwas weitergedacht kann Produktionsflexibilität bedeuten, dass beispielsweise bestehende Robotersteuerungen angepasst werden. Hier besteht häufig die Möglichkeit, unter Beibehaltung des vorgegebenen Produktionstakts Energie zu sparen. Denkbar ist z. B., die Anfahrtgeschwindigkeit des Roboters zu reduzieren oder dessen System auf gleichmäßigeres Arbeiten einzustellen. Zugleich müssen Unternehmen überprüfen, inwiefern sie mit Blockaden vorausschauend umgehen können. Ist es z. B. notwendig, die Pufferspeicher mit höchster Geschwindigkeit zu füllen, bis das System in den Stillstand wechselt – oder ist eine energiesparende Arbeitsgeschwindigkeit möglich?
Insgesamt lohnt es sich, bestehende Materialflusssimulationen um den Energieverbrauch zu erweitern (unter Beibehaltung der Optimierungsgrößen der Produktionseffizienz). So können beispielsweise kostspielige Lastspitzen erkannt werden.
Green Brownfield erfordert konsequentes Umdenken
Transformation bestehender Fabriken erfordert einen Dreiklang aus „Lean – Digital – Green“. Dieser wird künftige Projekte und Entwicklungen als neues Leuchtfeuer prägen. Grüne Technologien und die Optimierung der Nachhaltigkeit werden als maßgebliche Größen Bestandteil grundlegender Unternehmensprogramme wie Standardisierung, Best Practices und KVP. Dafür ist ein konsequentes Umdenken erforderlich. Wichtig ist, dass Unternehmen in diesem Umfeld die Integration des übergeordneten Stufenplans und der externen Einflüsse und Trends sowie die konkrete Anwendung grüner Technologien in Produktion und Fabrikplanung gelingt. Das Green Brownfield ist mehr als ein einzelnes Projekt: Es leitet einen Paradigmenwechsel des unternehmerischen Handelns ein.