Die Attraktivität von Standorten kann sich dynamisch verändern. Umso wichtiger ist es, insbesondere mit Blick auf die zunehmende Instabilität, das Unternehmen diesen dynamischen Veränderungsprozess mitgehen, um nachhaltig erfolgreich zu sein.
Oftmals sind Beschaffungs- und Produktionsnetzwerke in den letzten 20, 30 oder sogar 40 Jahren evolutionär entstanden. Es gab in der Vergangenheit Kunden oder Produkte, die es heute gar nicht mehr gibt. Es gab Rohstoffquellen, Vormaterialien und Lieferanten, die für einen Produktionsstandort nicht mehr relevant sind. Oder auch Technologien, Kunden- und Compliance-Anforderungen, die sich verändert haben und von Unternehmen nur noch mit großem Aufwand erfüllt werden können.
Supply Chain Manager müssen es sich deshalb zur Aufgabe machen, Beschaffungs- und Produktionsnetzwerke regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen.
Studie: Benchmark internationaler Produktionsstandorte
Ein erster Anhaltspunkt dafür kann die Ingenics Consulting Studie „Benchmark internationaler Produktionsstandorte 2023“ bieten.
Die Studie vergleicht Daten zu 31 Ländern aus fast allen Kontinenten in den Bereichen Produktionskosten, Compliance, Arbeitskräfteverfügbarkeit, Infrastruktur und CO2-Emissionen. Die Auswertung zeigt, dass fehlende Arbeitskräfte, neue gesetzliche Anforderungen und steigende Kosten Länder, die jahrzehntelang attraktiv waren, immer mehr unter Druck setzen. Dafür rücken neue Standorte in den Fokus.
Bewertung anhand von Logistikfaktoren
Neben den in der Studie untersuchten Standortfaktoren sollten Supply Chain Manager bei der Konzeption oder dem Re-Design von Lieferketten die folgenden logistischen Faktoren bewerten:
Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der logistischen Infrastruktur
Die logistische Infrastruktur am Standort, auf den Transportrouten und an Umschlagspunkten muss sorgfältig analysiert werden. Rohstoffe und Halbfertigprodukte müssen zuverlässig angeliefert werden können, Fertigprodukte nach Kundenwünschen distribuiert werden und die Entsorgung von Nebenprodukten bzw. Abfallstoffe müssen gesichert sein.
Durchlaufzeiten für den Produktentstehungsprozess und Reaktionsfähigen auf volatile Nachfragesituationen
Je länger die Source-to-User Durchlaufzeit ist, desto langsamer ist die Reaktionszeit auf sich verändernde Produktspezifikationen oder Nachfrageveränderungen. Grundsätzlich sollte die Wertschöpfungsstrategie an Kundenanforderungen ausgerichtet werden.
Transaktionskosten während des End-to-End-Lifecycles
Grundsätzlich sollte eine End-to-End-Lifecycle-Bewertung in Bezug auf Kosten und Nutzen erstellt werden. Dabei entfällt auf die Transaktionskosten in der Regel ein erheblicher Anteil. Neben den klassischen Logistikkosten, wie Transport, Lager und Umschlag, kommen noch Zölle, Compliance-Auflagen, administrative Kosten und auch Digitalisierungskosten hinzu.
Steuerungsproblematiken bei sehr kleinteiligen und geographisch sehr verteilten Wertschöpfungsparzellen
Sehr verteilte Wertschöpfungsparzellen ähneln einem Flohzirkus und dem Dompteur fällt es extrem schwer eine einheitliche und synchronisierte Leistung zu erbringen. Hier kann ein hoher Digitalisierungsgrad zumindest Transparenz schaffen, die Kommunikation erheblich verbessern und Unsicherheiten reduzieren (mehr dazu hier). Dieser Akt der Digitalisierung bedeutet natürlich wieder höhere Transaktionskosten. Auf der anderen Seite muss überhaupt auch erst einmal die Bereitschaft zur Datentransparenz bei allen beteiligten Unternehmen gegeben sein. Aktuell scheitert diese Transparenz am Faktor Mensch.
Supply Chain Risiken
Mit Blick auf Risiken innerhalb der Lieferketten ist eine grundsätzliche strategische Ausrichtung des Unternehmens auf seine Kunden maßgeblich. Abgeleitet aus der Unternehmensstrategie definiert das Supply Chain Management den akzeptablen „Risk Appetite“. Dieser “Supply Chain Risk Appetite“ ist unternehmensindividuell und kann zwischen den Produkten erheblich variieren. Der „Supply Chain Risk Appetide“ determiniert strategische Eckpunkte, etwa ob der Fokus auf Single oder Multi Sourcing liegt.
Risiken innerhalb des Liefernetzwerks müssen antizipiert und mitigiert werden. Dafür sollten Unternehmen an ihrer Supply Chain Resilienz arbeiten.
Fazit
Werden die produktionsspezifischen Standortfaktoren aus der Benchmarkt Studie und diese logistischen Transaktionsfaktoren zusammen betrachtet, lassen sich Wertschöpfungsnetzwerke grenzüberschreitend bewerten. Stärken und Schwächen eines Wertschöpfungsnetzwerks werden so sichtbar gemacht.
Es erfordert Mut von Supply Chain Managern bestehenden Strukturen zu hinterfragen. Doch eine regelmäßige Überprüfung von über viele Jahre gewachsenen Wertschöpfungsnetzwerke auf ihren strategischen Beitrag ist extrem wichtig. Nur so können neue Kundenanforderungen, veränderte Rahmenbedingungen, technischer Fortschritt und veränderte Kostenstrukturen berücksichtigt werden und Optimierungspotentiale gehoben werden.